29.03.2019
Eventuell haben Sie als Elternteil schon oft gedacht „Wenn mein Kind endlich sein Verhalten ändern würde, wäre ich auch bereit nicht mehr so streng mit ihm zu sein, oder es entsprechend zu belohnen". Ihr Kind wird aber eventuell sein Verhalten nicht ändern, da es denkt, dass es sowieso nur bestraft wird und nie etwas richtig machen kann.
Der Mitarbeiter ist der Meinung, der Chef müsse ihn erstmal loben und seine vergangene Leistung würdigen, damit er in Zukunft Höchstleistungen abliefert oder Überstunden macht. Der Chef denkt, dass dieser Mitarbeiter nur Dienst nach Vorschrift leistet, wird misstrauisch und kritisiert ihn scharf im nächsten Mitarbeitergespräch.
Die Ehefrau wünscht sich mehr gemeinsame Abende mit ihrem Mann, dieser zieht aber die Skatabende mit „seinen Jungs“ in der Lieblingskneipe vor, da sie ja sowieso immer so furchtbar an ihm rumnörgelt. So verzieht sie beleidigt das Gesicht, als er spät nach Hause kommt und straft ihn mit Nichtachtung. Da denkt er sich: „Gut, dass ich dieses Gesicht nicht den ganzen Abend ertragen musste".
Mit Sicherheit haben auch Sie sich schon einmal in einem Teufelskreis befunden. Es kennt sicherlich fast jeder diesen Ausdruck, der dafür steht, sich in einer aussichtslosen Negativspirale zu bewegen.
Das Teufelskreis-Modell beleuchtet intensiv das Verhalten von Person A und das daraus resultierende Gefühl für Person B. Person B wird sich aufgrund seines Gefühls wieder dementsprechend verhalten und das erzeugt wiederum bestimmte Gefühle und Verhalten bei Person A. Der Kreis ist geschlossen, die Spirale läuft von nun an abwärts, der Teufelskreislauf ist perfekt. Im schlimmsten Fall spitzt er sich so zu, dass sich das Verhalten und die Gefühle der beiden verfestigt (frozen feelings),verschlimmern und bald entweder die Fetzen fliegen und es zum eisigen Anschweigen oder zur Trennung führt.
"Typischer Weise gibt es keinen Anfang und kein Ende, und beide Personen erleben sich selbst jeweils „nur“ als Reagierenden auf das Verhalten des anderen".1
"Typisch für einen Teufelskreis ist, das beide Seiten sich als Opfer sehen. Jeder glaubt, dass er lediglich auf „Fehlverhalten“ der Gegenseite reagiert".2
In einem Coaching wird das eigene Verhalten, so wie das Verhalten und die Gefühle der Person mit der man Schwierigkeiten hat, analysiert und schriftlich fixiert. Allein durch das Aufzeichnen sieht man plötzlich auch den eigenen Anteil, kann ihn annehmen, Abstand dazu gewinnen und hat im besten Fall nun eine neue Wahlfreiheit gewonnen. Ein weiterer Vorteil ist, dass man ein Verständnis für sein Gegenüber entwickelt, indem man sich auch die Gefühle des anderen anschaut. Man kann das Verhalten des Gegenübers auch unter neuen Blickwinkeln betrachten: so muss das „Nicht grüßen“ nicht automatisch bedeuten, dass der Kollege einen nicht mag, sondern vielleicht ist er einfach nur vollkommen in Gedanken.
Nun entwickelt der Klient im Coaching neue Möglichkeiten aus dem Teufelskreis herauszutreten und aktiv als erster ein neues Verhalten zu entwickeln. Er kann sich ausmalen, wie sein Gegenüber sich darauf hin wohl fühlen und auf das neue Verhalten reagieren wird und kann Alternativen entwickeln, falls es nicht zum gewünschten Ergebnis führen sollte.
Betrachten wir noch einmal das Beispiel des Ehepaars, welches schon der renommierte Kommunikationspsychologe Paul Watzlawick verwendete, unter der Lupe des Teufelskreis-Modells nach Schulz von Thun und untersuchen ihre Beziehungsdynamik nach „Innerung(Gefühl) und Äußerung (Verhalten)“. (Ehefrau: A, Ehemann: B)
Äußerung von B: geht Skat spielen daraus folgt Innerung von A: beleidigt, gekränkt, verletzt daraus resultiert Äußerung von A: schweigsam, vorwurfsvoll, missbilligend daraus folgt Innerung von B: fühlt sich ungerecht behandelt, missverstanden, abgestoßen, wütend daraus folgt Äußerung von B: geht öfters zum Skat spielen, meidet die Abende mit der Frau, verschliesst sich, distanziert sich innerlich.
Dies wäre ein erster Teufelskreislauf, diesen könnte man nun in eine zweite, dritte und vierte Runde schicken und es wird schnell klar, der Haussegen würde immer mehr in Schieflage geraten, bis eventuell die Frau mit der Scheidung droht…
Wäre der Ehemann mit diesem Thema in das Coaching gekommen, hätte er sich mehr in seine Frau hineinversetzen können und nun versuchshalber beispielsweise als erster sein Verhalten geändert: Er wäre eines Abends zu Hause geblieben, obwohl seine Frau noch säuerlich dreinschaut, hätte ihr vielleicht Blumen mitgebracht und gefragt, wie sie am Liebsten gemeinsam den Abend mit ihm verbringen möchte…
Nun ist die Ehefrau positiv überrascht, besänftigt und fühlt sich nach langer Zeit mal wieder wertgeschätzt. Plötzlich lächelt sie mal wieder und das fühlt sich für den Ehemann nun auch gut an, er ist begeistert von seiner Investition in sein neues Verhalten und überlegt dies nun öfter zu tun. Das Paar bewegt sich nun in Richtung einer Positivspirale.
Was sich hier so einfach, glasklar und humorvoll liest, ist diesem Kommunikationsmodell zu verdanken. Denn in der Realität, im Alltag ist es den Akteuren selten so klar, sie befinden sich unter Umständen schon seit Jahren in „dieser Falle“ und keiner ist bereit, sein Verhalten zu ändern, solange der andere…
Unsere Kommunikation auf einer Metaebene zu betrachten, das „Wissen um die Dynamik und Funktionen von Teufelskreisen, sowie um die Ausstiegsmöglichkeiten“3, erweitert unseren Handlungsspielraum. Die Tür des Teufelskreislaufs öffnet sich und man kann staunend heraustreten und sein Verhalten aktiv und kreativ gestalten.
1., 3. Schulz von Thun, das Teufelskreis-Modell
2. Zitat der Kommunikationspsychologin Kathrin Zach in einem Interview des Magazins „Haysworld“